Der hier veröffentlichte Originaltext von Moritz „Die Reise durch die Stadt der Masken“ erscheint in einfacherer Sprache auch in der Printausgabe vom April 2021 auf der Kinder- und Jugendseite (Seite 9) von ArrivalNews und wurde von Nadja Rathjen illustriert und um Rätselfragen zum Text ergänzt. Außerdem ist er auf https://www.arrivalnews.de verfügbar. Ihr könnt Euch den Text sogar vorlesen lassen: https://soundcloud.com/arrivalnews

Geschichte des Monats: Die Reise durch die Stadt der Masken

Grelles Licht durchflutete meine Augenlider. Langsam öffnete ich meine Augen und nun setzten auch meine anderen Sinne wieder ein. Ich hörte das Brummen einiger Maschinen und hatte den Geruch von Desinfektionsmittel in der Nase. Nun wusste ich auch, wo ich war. Aber wie war ich ins Krankenhaus gekommen? Wage erinnerte ich mich, dass ich mit dem Motorrad unterwegs gewesen war. Und dann? Ich richtete meinen Blick aus dem Fenster und sah den Regentropfen zu, wie sie langsam an der Fensterscheibe hinabglitten. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Die Straße war nass gewesen. Ich war ins Schlittern geraten und hatte die Kontrolle verloren.

„Bleiben Sie sitzen! Ich kann es nicht in Worte fassen, was für einen Schutzengel Sie hatten“, meinte der Arzt, der soeben ins Zimmer eintrat. „Wissen Sie überhaupt, wie lange Sie im Koma lagen? Natürlich nicht! Sie lagen ja im Koma. Ich werde Ihnen gleich jemanden hereinschicken.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand er wieder. Nach einigen Minuten kam ein älterer Mann herein und versuchte mir etwas mitzuteilen, doch er verschluckte die Worte so, dass ich nur ein Drittel von dem verstand, was er sagte. Ich nickte und tat so, als würde ich ihn verstehen. Mir wurde jedenfalls klar, dass ich noch einige Tage hierbleiben würde. Schließlich erklärte er: „Sie lagen zehn Monate im Koma! Zehn! Das ist unglaublich!“ Kopfschüttelnd wandte er sich zum Gehen. „Ent-… Entschuldigung? Können Sie noch den Fernseher anmachen? Ich würde gerne wissen, was in den letzten Monaten passiert ist“, krächzte ich hilflos. Er nickte. Vor dem Fernseher begann er jedoch zu fluchen, irgendwas von fehlendem Kabelanschluss. Nach ein paar Minuten wurde es ihm dann zu dumm und er verschwand mit einem entschuldigenden Schulterzucken. Er ließ mich mit meiner Frage, was während meiner Abwesenheit passiert war, ratlos zurück. Ich schlief wieder ein.

Aufgeweckt durch einen Albtraum schaute ich mich panisch um. Ich entdeckte eine kleine Gestalt an meinem Bett. Es war mein jüngerer Bruder Jim. „Hey!“ Dies war alles, was ich aus meinem trockenen Hals hervorbringen konnte. „Oh, du bist wach. Geht es dir gut?“ Es tat gut, endlich eine warme, besorgte Stimme zu hören. „Was ist passiert?“, fragte ich ihn. „Es… es ist kompliziert. Du hattest einen Unfall.“ „Wie ist es dir ergangen? Irgendwas Neues?“, lautete meine nächste Frage. Jim begann zu stottern, was gar nicht seine Art war. Es war offensichtlich etwas Schockierendes passiert.

Endlich wurde ich entlassen. Da ich mich erstaunlich gut fühlte, beschloss ich noch kurz in die Innenstadt zu gehen, bevor ich mir ein Taxi nach Hause nehmen wollte. Ich musste mir ohnehin Lebensmittel besorgen. Doch als ich den ersten Laden betrat, war ich irritiert. Warum stand auf dem Schild ‚Zutritt nur mit Maske!‘? Vielleicht ein Witz? Hatten wir nicht Februar? Ach ja, ein Faschingsscherz. Nichts ahnend ging ich weiter durch den Laden. Doch komischerweise hatten alle eine ähnliche Maske auf. Nun war ich mir sicher, es war ein neuer Trend.

Die ersten Blicke, die mir zugeworfen wurden, ordnete ich meinem guten Aussehen zu. Bald aber waren es so viele, dass ich entweder über Nacht zu Brad Pitt geworden sein musste oder dass sie mich bewunderten, weil ich bei diesem Trend einfach nicht mitmachte. „Ähm Sie wissen schon, dass hier…“ Ich unterbrach den Verkäufer sofort und sagte deutlich, dass ich diesen Trend nicht mitmache. Pfeifend schlenderte ich wieder aus dem Laden. Vor dem nächsten Geschäft erwartete mich gleich die nächste Überraschung. Ich erspähte einen kleinen, mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllten Spender. Ich dachte natürlich dies sei ein Trinkwasserspender. Doch etwas störte mich. Vielleicht war es der Geruch, den er verströmte oder einfach seine Form. Getrieben von Neugier trat ich näher an den vermeintlichen Wasserspender heran und versuchte mir etwas davon in die Hand zu träufeln. Was für eine böse Überraschung mich doch erwartete. Was ich fälschlicherweise für Wasser gehalten hatte, war reines Desinfektionsmittel. Sofort schmierte ich das widerwärtige Zeug in ein Taschentuch. Naja, einen positiven Aspekt hatte die ganze Sache. Ich hatte ein paar Viren getötet, leider rochen meine Hände jetzt sehr intensiv. Zum Glück hatte ich nichts davon probiert zu trinken. Das wäre lebensgefährlich. Verwirrt nahm ich das nächste Taxi und begab mich auf den Weg zu meiner Wohnung.

Als der Wagen zum Stehen kam, bemerkte ich ein weißes Zelt, dass auf dem großen Parkplatz neben unserem Wohnblock aufgebaut war. Ich stieg aus und traute meinen Augen kaum. Ich wusste nicht, ob es Menschen oder eine Gruppe Außerirdischer von einem anderen Planeten waren. Auf jeden Fall sah ich da Personen in riesigen, weißen Anzügen, die so große Schutzmasken trugen, dass man gerade noch ihre Augen sehen konnte. Solche Figuren kannte ich nur aus Science-Fiction-Filmen. Und als würde das nicht reichen, steckten diese Wesen anderen Menschen Stäbe in den Mund. Es war wie ein schlechter Traum. Vielleicht hatte das Desinfektionsmittel meine Sinne vernebelt, sodass ich mir das nur einbildete. Doch umso näher ich kam, umso realistischer wurde es. Ich war erschüttert. War dies die Apokalypse?

Was zur Hölle war passiert, während ich zehn Monate im Koma gelegen hatte? Die Wesen in den unförmigen weißen Anzügen kamen auf mich zu. In einem kurzen persönlichen Moment sah ich alles wie aus der Perspektive eines anderen Menschen: die riesigen Anzüge, das Schild auf dem Covid-19-Teststation geschrieben war, der Stab in den Händen eines Angestellten und natürlich mein eigenes, panisches und überraschtes Gesicht. Doch dann war der Moment vorbei und ich wurde bloß freundlich gefragt, wo denn mein Ausweis sei. Verdattert und verwirrt konnte ich bloß irgendeinen Schwachsinn brabbeln. Nun war es das Gesicht des Beamten, das verdutzt war. Tausend Fragen kamen mir in den Sinn, doch ausgerechnet die dümmste von allen musste ich stellen: „Sind Sie ein Mensch?“

Daraufhin lachte der Typ so schallend, dass er mich ansteckte und ich selbst nervös zu kichern begann. „Was haben Sie denn die letzten Monate gemacht? Geschlafen?“, kam die Gegenfrage von dem Fremden. Ich erklärte ihm mein Problem. Daraufhin wurden wir beide ernst und er begann zu berichten. Nachdem er mir die Corona-Situation geschildert hatte, war ich fast noch geschockter, aber ich hatte nun eine Ahnung, was passiert war.

Autor: Moritz G., 14 Jahre

Illustration von Nadja Rathjen
Illustration von Nadja Rathjen
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