Wie man die ganze Welt bereisen könnte

von Nadezhda (16 Jahre)

 Meine Eltern sagen immer: „Um eine so lange und große Reise machen zu können, muss man erst hart dafür arbeiten!“ Ich denke, man muss für seine Ziele und Träume kämpfen. Das Sprichwort „Ohne Fleiß, kein Preis“ passt wohl ziemlich gut dazu.

Ich kann verstehen, was mir meine Eltern damit verdeutlichen wollen. So eine Reise nach Südamerika ist selbstverständlich mit hohen finanziellen Kosten verbunden. Woher soll man das Geld denn herbekommen? Man kann es ja schlecht aus der eigenen Tasche zaubern.

Doch ich meine, einen Weg gefunden zu haben, wie es nun doch möglich sein könnte. Keine Sorge, es ist nichts Kriminelles. Es ist viel simpler. So simpel, dass man es fast gar nicht erraten kann.

Man muss sich lediglich an einem beliebigen Platz, am besten draußen in der Sonne, hinlegen und die Augen schließen. Vielleicht noch mit Kopfhörern im Ohr, um für die richtige Stimmung zu sorgen. Und schon fängt die Reise an.

Du spürst die Sonne intensiv auf der Haut brennen und wenn du die Augen öffnest, stehst du am Eingang eines alten Hauses. Du gehst aber nicht in das Haus hinein, sondern kommst gerade raus. Um dich herum hörst du Stimmen. Sie unterhalten sich in einer Lautstärker, die lauter ist, als du es vermutlich gewohnt bist. Jedoch bedeutet das nicht, dass sich die Menschen gegenseitig anschreien, im Gegenteil, es ist einfach ihre Art miteinander zu kommunizieren. Nun lachen sie. Ganz herzlich und natürlich, aus dem Bauch heraus. Du lauschst und versuchst zu verstehen, worüber sich die Menschen, die auf der Straße stehen, unterhalten, worüber sie lachen. Doch du verstehst nur einen kleinen Bruchteil davon. Sie sprechen eine andere Sprache. Erahnst du, wo du gelandet bist?

Die Straße entlangschlendernd betrachtest du die niedlichen, wunderschönen und bunten, kleinen Häuser. Sie sind ganz anders, als du es aus deiner Heimat kennst. Sie sind nicht eintönig, grau und langweilig, sondern knallbunt und leuchtend. Genau diese Häuser, die du schon immer so schön fandest, siehst du nun direkt vor dir.

An der nächsten Straßenecke bemerkst du eine Ansammlung vieler Menschen und fragst dich, was es damit wohl auf sich hat. Die Musik in deinem Ohr ist nun eine völlig andere. Ein 2/4-Takt ist rauszuhören. Du drängelst dich durch die Menge und siehst vor dir einen „Tanguero“ und eine „Tanguera“. Die spanische Bezeichnung für Tango-Tänzer. Der Mann hält die Frau fest an sich gedrückt und die beiden tanzen vor dem immer größer werdenden Publikum. Doch dies scheint sie nicht zu stören. Sie machen es wohl nicht zum ersten Mal. Nachdem der Tanz zu Ende ist, gibt es reichlich Applaus, doch du willst keine Zeit verlieren und gehst weiter.

Nach einer Weile bist du in einem anderen Stadtteil angekommen. Vor dir erstrecken sich viele Wolkenkratzer in die Höhe, solche, die man sonst immer mit dem nördlichen Teil des Kontinents in Verbindung bringt. Was für ein Kontrast. Wie eine völlig andere Welt. Das muss wohl der Central und Business District Buenos Aires sein. Je weiter du in dieses Stadtviertel eindringst, je mehr Menschen du begegnest, desto hektischer wird das Leben um dich herum. Wenn es aber genauso wie in den meisten US-amerikanischen Metropolen ist, dann ist hier nur tagsüber so viel los. Wenn es dunkel wird, bleiben nur ganz wenige. 

Etwas abseits des Trubels setzt du dich in ein Café und bestellst dir das Nationalgetränk schlechthin: Mate. Dabei handelt es sich um einen Kräutertee. Während du dein Getränk genießt, beobachtest du die Menschen, die an dir vorbeieilen. Einige sind wohl Einheimische, andere wiederum Touristen, wieder andere sind wahrscheinlich mit der Hoffnung auf eine bessere Arbeit gekommen.

Argentinien ist eines der flächengrößten Länder weltweit und vermutlich auch das europäischste Land Südamerikas. Doch mittlerweile ist das Land nicht mehr so reich, wie es bis nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war. Es hat große wirtschaftliche Probleme. Unter anderem haben dazu die schlechten politischen Entwicklungen Mitte des 20. Jahrhunderts beigetragen. Inflation, Arbeitslosigkeit und milliardenhohe Staatsschulden prägen das Land bis heute.

Doch nun geht es weiter. Du überlegst. Was wolltest du schon immer machen, falls du dich eines Tages tatsächlich in diesem Land befindest? Es ist so unendlich groß und so vielfältig, so unterschiedlich. Von den Tropen bis zu den Gletschern in Feuerland, von den Anden im Westen bis zum Atlantischen Ozean im Osten ist alles dabei. Es gibt wohl nur eine Möglichkeit, so viel wie möglich von Argentinien zu sehen. Du beschließt am nächsten Tag zu einem Autohaus zu gehen und einen Minivan auszuleihen, mit dem du dann die Chance hast, das ganze Land zu bereisen. Du kannst hinfahren und so lange bleiben, wie du möchtest.

Die Musik in deinen Ohren hört auf zu spielen. Die Playlist ist zu Ende. Nun weißt du, dass deine Reise vorbei ist. Aber nur für diesen Tag. Morgen, wenn du dich wieder in die Sonne legst und die Augen schließt, geht die Reise weiter. Schließlich hast du auch schon einen genauen Plan, was du als Nächstes auf deiner Reise in Argentinien unternehmen willst.