Der frustrierte Weihnachtsmann

von Gitta Gritzmann 

 In der Stadt Seattle lag viel Schnee. Seattle liegt im US-amerikanischen Bundesstaat Washington. John Miller arbeitete dort in einem Einkaufszentrum als Weihnachtsmann. Das hat er jedes Jahr gemacht. An einem Tag rief er seinen Kollegen Barney Brown mit seinem Handy an:

„Ich habe keine Lust mehr diese nervigen Kids zu unterhalten. Sie bekommen jedes Jahr Geschenke von uns. Gestern habe ich einem 8-jährigen Jungen ein Raumschiff geschenkt. Sein Vater hatte es 1 Stunde vorher bei uns abgegeben. Was hat der kleine Junge gemacht? Er hat laut gebrüllt: ‚Ich wollte ein viel größeres Raumschiff. Ich habe schon 7 kleine Raumschiffe. Warum hast du blöder Weihnachtsmann meinen Brief nicht richtig gelesen?‘“

Barney fragte: „Und, was hast du geantwortet?“ „Ich habe ihn gefragt, ob er die Größe vom Raumschiff genau gemessen hat. Ich habe ihn auch gefragt, wie viele Fenster das Raumschiff haben muss. … Er schaute mich mit großen Augen an. Er fragte: ‚Seit wann müssen Geschenke so genau beschrieben werden? Du bist doch der Weihnachtsmann. Du musst wissen, was ich will. Oder bist du nicht echt?‘ Dann zog er an meinem Bart. Ich habe laut und wütend ‚Aua!‘ geschrien.

In diesem Augenblick erschien seine Mutter. Sie schaute mich entsetzt an. Sie rief vorwurfsvoll: ‚Wie gehen Sie denn mit meinem kleinen, lieben Steve um?‘ Der kleine, liebe Steve schleuderte dann das Raumschiff mit voller Wucht gegen unseren Weihnachtsbaum.

Seine Mutter war geschockt. Sie fragte mich leise: ‚Hat mein Mann Ihnen das falsche Raumschiff gebracht?‘ Sie glaubte, dass ihr Sohn sie nicht hörte. Steve stand aber dicht hinter mir.

Steve rief: ‚Was hat Papa mit meinem Raumschiff zu tun? Heißt das, dass Papa das ätzende Raumschiff hierhergebracht hat. Hat Joe doch Recht? Mein Freund Joe hat nämlich zu mir gesagt, dass es keinen echten Weihnachtsmann gibt.‘

‚Oh, nein!‘, rief die Mutter. ‚Natürlich ist dieser Weihnachtsmann echt, Steve-Schatz. Du siehst ihn doch. Schau ihn bitte an. Entschuldige dich dafür, dass du das Raumschiff gegen den Baum geworfen hast.‘

‚Ich mich entschuldigen …? Wofür denn? Der Weihnachtsmann soll sich bei mir entschuldigen, wenn er mir ein Raumschiff schenkt, das ich mir gar nicht gewünscht habe. Mum, du hättest mir sagen müssen, dass man alle Geschenke vorher ausmessen muss. Der Weihnachtsmann weiß nicht, was man will.‘ Seine Mutter fragte: ‚Warum muss man die Geschenke vorher ausmessen?‘

Ich erklärte ihr die ganze Geschichte. Dann sagte sie zu Steve: ‚Das hätte Daddy dir sagen müssen. Mein armer Steve.‘ Der Junge weinte vor Wut. Seine Mutter strich ihm über den Kopf und sagte: ‚Lieber Santa Claus, bitte schicken Sie uns für das nächste Weihnachtsfest ein Geschenke-Formular. Dort können wir alle notwendigen Informationen eintragen. Haben Sie eine E-Mail-Adresse? Wir schicken Ihnen dann im nächsten Jahr alle Informationen per E-Mail. Wie lautet Ihre E-Mail-Adresse?‘

Ich spielte mit. Ich antwortete: ‚Meine E-Mail-Adresse ist ganz einfach: santaclaus-online.com.‘ ‚Sehr gut!‘, antwortete die gestresste Mutter. Steve brülle: ‚O.k., 1 Mal schreibe ich dir, Santa Claus. Wenn ich aber keine Antwort kriege, dann glaub ich nie wieder an dich!‘ Seine Mutter wurde sehr rot im Gesicht. Sie zog Steve mit der Hand völlig gestresst von mir weg …“

„Oh, Mann, der Job ist ganz schön hart“, sagte Barney.

In diesem Moment rief ein kleines 5-jähriges Mädchen: „Hallo Weihnachtsmann!“ Es stellte sich mit dem Namen Sally vor. „Ich muss aufhören. Ciao! Ich bin ja noch im Dienst“, sagte John zu seinem Kollegen. Er beendete das Gespräch. 

„Wo wohnst du eigentlich?“, fragte Sally neugierig. Sie lachte John mit großen Augen an. John antwortete freundlich: „Ich wohne in ‚Christmas-City‘.“ „Und wo ist das?“, wollte Sally wissen. John antwortete: „Das liegt direkt hinter Manhattan in New York.“ Dann fragte Sally: „Können wir dich da besuchen?“ Ihre Eltern nickten heftig mit dem Kopf. Also musste John sagen: „Ja! Klar! Wenn deine Eltern mal Zeit haben. Gerne. Ich bin aber oft unterwegs. Ich sammle das ganze Jahr über Geschenke für die vielen Kinder ein. Die Kinder wohnen ja an sehr vielen verschiedenen Orten. Ich habe Glück! Ich habe ein paar fleißige Helfer*innen. Sie helfen mir beim Einsammeln der Geschenke. Das Verteilen der Geschenke ist meine Aufgabe.“

Sally fragte: „Hast du für mich auch ein Geschenk?“ „Vielleicht. Wie ist dein 2. Vorname? Wie alt bist du?“, fragte John. „Ich heiße Sally-Jocy. Ich bin 6 Jahre alt!“, rief Sally. „Moment mal!“, sagte John. „Ich schaue auf meiner Liste nach.“ Die Eltern waren beruhigt. Sallys Vater hatte 2 Stunden zuvor den „Hogwarts-Lego-Express“ gebracht. Sally hatte sich dieses Spielzeug sehr gewünscht. John holte ein großes Geschenk aus dem Sack. Er lächelte und gab dem Mädchen das Geschenk. „So ein großes Geschenk hast du für mich?“, rief Sally ganz begeistert. Sie bedankte sich. „Das wolltest du doch haben, oder?“, fragte John. „Ja, das wollte ich haben. Aber ich weiß, dass man nicht alles bekommen kann, was man sich wünscht. Mum sagt immer, dass es manchmal gut wäre, wenn man nicht alles bekommen würde, was man sich wünscht. Das ist komisch, oder? Mum sagt auch, dass ich das besser verstehen werde, wenn ich groß bin. Letztes Jahr habe ich auch etwas anderes bekommen, als ich mir gewünscht hatte. Letztes Jahr warst du krank. Da hast du mir geschrieben, dass du nicht so viele Geschenke verteilen kannst. Ich habe dann ein Spiel und eine Gitarre bekommen. Das war aber ganz o.k. Jetzt muss ich erst mal mein Geschenk auspacken. Entschuldige bitte!“, sagte Sally.

Der Weihnachtsmann lächelte. Sally zerriss ganz schnell das Geschenkpapier. Sie rief: „Wow! Ein Hogwarts-Express. Den habe ich mir soooo gewünscht! Den baue ich heute sofort auf. Jipeeh!“ Sally und ihre Eltern bedankten sich. Sie verabschiedeten sich herzlich. „Wenn wir dich besuchen, spiele ich dir ein Lied vor. Möchtest du das?“, fragte Sally. „Jingle Bells kann ich schon.“ „Das ist großartig“, sagte John. Und dann sah er, dass eine lange Schlange von fröhlichen Kindern auf ihn wartete. 

Der hier veröffentlichte Text erscheint auch in der Printausgabe vom Dezember 2021 auf der Kinder- und Jugendseite (Seite 9) von ArrivalNews sowie unter  https://www.arrivalnews.de
Die Illustration stammt von Jutta Fegert.