Sven und die Geister

von Kenny 

Eines Abends sind meine sieben Geschwister und ich noch zu später Stunde in einem riesigen Haus herumgelatscht. Die Fenster waren wirklich sehr groß, sodass ein Großteil des Mondlichts hineinschien. Die Zwillinge nahmen die Formen vieler Objekte an, welche sie noch nie gesehen hatten. Wir fanden viele Gegenstände, die richtig cool aussahen wie beispielsweise eine riesige Marmorstatue. Unsere Drillinge glitten zusammen durch die Wände, um noch mehr Räume zu entdecken. Sehr schnell verloren wir die Zwillinge und Drillinge aus den Augen. Die hatten wohl sehr viel Spaß beim Entdecken. Sie waren bestimmt schon in den coolsten Räumen. In den langen Fluren hingen viele Gemälde und Fotos von den Familienangehörigen. Während wir durch die Gänge schlenderten, tauchte aus dem Nichts ein kleiner Junge am Ende des Flures auf. Ich flitzte mit Anna hinter einen Sessel. Zum Glück sah uns der Junge nicht. Er schlich in die Küche und schnappte sich ein Glas Wasser. Dann ging er wieder in sein Zimmer. Wir waren beunruhigt, dass er Luis sah, denn der stand immer noch mitten auf dem Flur. Er hatte wohl seine Fähigkeit nicht eingesetzt, denn sonst wäre er unsichtbar, auch für uns.

Am nächsten Morgen hörte ich zwei Stimmen von Erwachsenen, welche sich über Zeitungsartikel unterhielten. Anscheinend waren es die Eltern des Jungen. In den langen Fluren gab es durch die vielen neumodischen Möbel genug Versteckmöglichkeiten für uns. Der Junge ging an mir vorbei und griff nach seiner Tasche. „Ich gehe jetzt!“, rief der Junge durch den Flur. Er hatte wohl vor, zur Schule zu gehen. Einen Augenblick später gingen auch seine Eltern durch die Eingangstür und verschwanden mit einem schwarzen Auto.  Nun waren ich und meine Geschwister alleine im Haus. Wie es Geister üblicherweise tun, haben wir im Haus geübt herumzuspuken und uns gute Stellen gesucht, an denen es lustig werden könnte. Wir übten vom Morgen bis zum Mittag. Dann hörten wir draußen ein Auto kommen. Wir versteckten uns wieder in den Fluren und warteten bis zur Nacht.

An der Tür des Jungen stand ganz fett und groß „Sven“. Die Drillinge und Zwillinge machten ihr eigenes Ding und erschreckten wahrscheinlich wieder einmal die Haustiere. Anna und ich blieben so dicht wie möglich bei Sven. Abends schien er zu schlafen. Wir gingen ganz vorsichtig durch die Tür und beobachteten Sven. „Wie heißt ihr eigentlich?“ fragte er. Uns lief ein Schauer über den Rücken. Hatte er uns bemerkt oder wen fragte er da? Er drehte sich im Bett zu uns um und guckte uns intensiv in die Augen. Mir ging es so, als wäre er Medusa und hätte mich zu Stein verwandelt. Ich war wie eingefroren. „Und?“, fragte er nochmal nach. „F-Fritz“, stotterte ich. „Und die Kleine neben dir?“ „Anna. Anna.“ Ich konnte kaum richtige Sätze formulieren, weil ich in meinem ganzen Geisterleben das erste Mal mit einem lebendigen Menschen interagierte. Anna und ich hatten uns aber bereits nach wenigen Stunden daran gewöhnt, mit einem Menschen zu reden. Wir verstanden uns schon am nächsten Tag sehr gut. Zwei Wochen ging es so weiter. Jeden Abend kicherten und redeten wir in Svens Zimmer. Aber dann kam Sven eine Idee in den Kopf, er wollte uns seinen Eltern vorstellen. „Ich bin komplett dagegen, weil wenn es eskaliert, könnte es sein, dass wir uns nie wiedersehen“, meinte ich. „Meine Eltern werden dich und Anna aber bestimmt mögen!“, widersprach er mir. „Überlegt es euch. Ich gehe jetzt schlafen. Ich habe morgen noch Schule.“

Am nächsten Morgen machte er sich für die Schule fertig und ging los. Die Eltern fuhren ihn zur Schule. Meine Geschwister übten das Übliche. Als Sven mit seinen Eltern von der Schule kam, lief er in sein Zimmer und schlug uns erneut vor, uns vorzustellen. Wir waren jedoch dagegen. Ein wildes Hin und Her. Schlussendlich standen wir eine halbe Stunde später vor seinen Eltern. Sie waren sehr ruhig. Es lief doch besser, als ich es mir vorgestellt hatte. Mir kam es sogar so vor, als hätten wir uns mit ihnen angefreundet.

Doch am nächsten Tag kam plötzlich Besuch. Es waren zwei Männer mit einem großen grünen Van da. Sie hatten Ausrüstungen dabei, die wie ein Staubsauger funktionierten. Zumindest glaubte ich das. Ich hörte, wie sie nach den Geistern fragten. Sie suchten UNS und wollten uns einsperren! Das war mir sofort klar. Schnell floh ich mit Anna durch die Hundeklappe im Hintereingang. Für die anderen konnte ich nur noch das beste hoffen.

Fünf Tage später fand ich die Drillinge in einem Restaurant. „Wo sind die anderen?“, fragte ich. „Wir wissen es nicht“, antworteten die Drillinge. 

Ob es Luis und sein Bruder geschafft haben? Man weiß es nicht. Ich werde als Geist weiterleben und daran Spaß haben, Menschen zu erschrecken!

Der hier veröffentlichte Originaltext von Kenny erscheint in vereinfachter Sprache auf der Kinder- und Jugendseite (Seite 9) der August-Ausgabe 2022 von ArrivalNews (online). Abzurufen unter: https://www.arrivalnews.de
Die Illustration stammt von Jutta Fegert.