Das Supermarktgeheimnis

von Noèmie (8 Jahre) : 

 Jonas und Johanna, die beiden Geschwister aus der Brombeerstraße 55, gehen mit ihrer Mama zum Einkaufen. Jonas liebt Fußball, er hat immer einen Ball dabei und steht natürlich im Tor. Wenn er groß ist, möchte er Protokollant bei der Jahresversammlung von Amnesty International werden. Sein Vater arbeitet dort und Jonas möchte das unbedingt auch mal machen. Jonas ist zehn Jahre alt. Er trägt nur Polohemden, hat kurze gelockte Haare und immer kurze Hosen an. Die trägt er auch im Winter, dann aber über der Torwarthose. Sein Lieblingsessen sind Spaghetti Carbonara. Johanna ist acht Jahre alt, sie liebt Schreiben und Lesen. Johanna spielt nicht Fußball, sondern Handball und trägt nur T-Shirts mit der Nummer 67 drauf. Das ist die Nummer auf ihrem Trikot. Am liebsten kauft sie Wörterbücher und möchte einmal jede Sprache sprechen können, die es gibt. Sie hat lange lockige Haare. Ihr Lieblingsessen sind Honigbonbons. Die lutscht sie bei jeder Gelegenheit, heimlich in der Schule und auch jetzt auf dem Weg zum Supermarkt. Natürlich ist es das Letzte aus der Packung, deswegen geht sie mit zum Einkaufen.

Als das Bonbon fertig gelutscht ist, sind sie beim Supermarkt angekommen. Jonas dribbelt zu den Gummibärchen und nimmt sich eine Packung mit Fußbällen drauf. Ihre Mama kauft Gurken, Salat und Brot, danach gehen sie Richtung Kasse.

Johanna dreht sich um und sieht einen Mann, der sich geheimnisvoll umschaut. Er hat einen schwarzen Anzug an und trägt eine schwarze Baskenmütze. Er steht bei den Kopfsalaten. Johanna stupst Jonas an und flüstert: „Jonas, der Mann da hinten schaut sich die ganze Zeit um, als hätte er was zu verbergen. Ich verstehe nicht, wieso. Hast du eine Idee?“ „Nein“, antwortet Jonas, „aber vielleicht ist er ein Dieb. Lass uns zur Kasse gehen. Wir können ihn von dort immer noch sehen.“

Als Johanna den Mann weiter beobachten will, ist er plötzlich weg und als sie sich umdreht, steht er an der Kasse hinter ihr. Johanna erschreckt sich, bleibt aber still. Ängstlich flüstert sie Jonas zu: „Der Mann, der da hinten so komisch geschaut hat, steht jetzt hinter uns. Was sollen wir tun?“ „Beobachte ihn bitte. Ich muss mir Fußballbildchen an der Kasse besorgen“, antwortet Jonas, geht vor zur Kasse und diskutiert mit der Verkäuferin, die angeblich nur noch drei Fußballbildchen hat. 

Sie möchte ihm die letzten drei nicht geben, weil es noch andere Kinder gibt. Jonas ist empört, ihm fehlen genau diese drei Fußballbildchen für seine Sammlung, es sind die Packungen auf der die Spieler unterschrieben haben. Er redet so lange auf die Verkäuferin ein, bis sie ihm die letzten drei Fußballbildchen mit ihren rosaleuchtenden, künstlichen Fingernägeln in die Hand drückt.

Ihre Mama bezahlt und ärgert sich darüber, dass es so teuer ist. Dem Mann mit dem schwarzen Anzug und der schwarzen Baskenmütze dauert das alles zu lang. Wütend wirft er drei Kopfsalate und eine Flasche Balsamicoessig in einen Einkaufskorb, der an der Kasse steht. Er läuft aus dem Supermarkt und stößt die Mama von Jonas und Johanna so heftig an, dass sie fast umfällt. „Hey!“, ruft sie, nimmt ihre Tasche und die Einkäufe und geht mit den Kindern zum Ausgang. Der Mann läuft zu seinem Fahrrad und fährt davon. Verärgert über so viel Rüpelhaftigkeit, geht die Mama mit den beiden Kindern nach Hause. Jonas überlegt, während sie gehen, was mit dem Mann losgewesen sein könnte. Er hatte bestimmt etwas zu verbergen.

Zuhause angekommen, verziehen sich Jonas und Johanna mit Gummibärchen und Honigbonbons schnell in ihre Zimmer, als sie einen Schrei aus der Küche hören. Sie laufen zu ihrer Mama, die wütend in der Küche steht und ihren Geldbeutel in der Hand hält.
„Hat einer von euch die 100 Euro aus meinem Geldbeutel genommen?“
Mit einem durchringenden Blick schaut sie ihre Kinder an.

Entrüstet antworten beide Kinder mit einem lauten: „Nein!“ „An der Kasse hattest du das Geld noch“, sagt Jonas. „War es der Geldschein mit dem Tomatensaucenfleck?“, fragt Johanna. „Ja. Er war es!“ Wütend wirft ihre Mama den Geldbeutel zurück in die Handtasche. Verschwörerisch schaut Jonas Johanna an und die beiden laufen in Jonas‘ Zimmer. „Wir müssen Elisabeth und Mark anrufen. Ohne die beiden können wir den Fall nicht lösen.“ Mark und Elisabeth sind ihre besten Freunde. Mark ist sechs Jahre alt und schlau, sehr schlau. Er trägt nur Karohemden, hat eine zerstrubbelte Frisur und Hörgeräte, mit denen er besser hört als jeder andere. Und er weiß einfach alles. Seine Mama glaubt, das kommt daher, dass Mark als Baby auf einem Lexikon eingeschlafen ist. Er ist sechs Jahre alt und möchte Professor werden und Rätsel lösen, die noch nie jemand vor ihm gelöst hat. Mark isst am liebsten Geschnetzeltes mit Sauce.  Seine Schwester Elisabeth ist neun Jahre alt. Sie liebt alles, was mit der Natur zu tun hat. Sie teilt sich mit Mark ein Zimmer. Es steht ein grünes Stockbett mitten im Raum. Auf Elisabeths Seite stehen nur Detektiv- und Natur- und Pflanzenbücher. Sie hat alle Bücher von den drei Fragenzeichen und möchte mal Forscherin oder Detektivin werden. Sie findet, das ist eigentlich das Gleiche. Ihr Lieblingsessen sind Pfannkuchen mit Marmelade drauf.

Wenig später sitzen Mark und Elisabeth in Jonas‘ Zimmer und sie überlegen, ob der Mann, der sich so geheimnisvoll umgeschaut hat, der Dieb ist. Elisabeth hat ihre ganze Detektivausrüstung dabei, weil sie sich am besten mit Detektivsachen auskennt, ist sie die Chefin. Jeder im Team hat zugestimmt.  Elisabeth sagt: „Wir brauchen die Handtasche und den Geldbeutel, um nach Hinweisen zu suchen. Jonas und Johanna, wisst ihr wie wir an die Handtasche kommen?“ Johanna schüttelt den Kopf, doch Jonas hat eine Idee. „Unsere Mama lässt ihre Handtasche immer im Flur liegen, normalerweise sitzt sie im Wohnzimmer, aber jetzt wird sie im Schlafzimmer sein und Papa anrufen.“ Elisabeth überlegt. „Wir machen es so: Während eure Mama telefoniert, schnappen wir uns die Handtasche und dann untersuchen wir sie nach Fingerabdrücken. Mark, du bist der Kleinste, du kannst dich am besten verstecken. Schleich nach unten und hole uns die Handtasche und pass auf, dass dich niemand sieht.“ Während Mark leise die Treppen runterschleicht, hört er die Mama von Jonas und Johanna im Schlafzimmer telefonieren. Mark wartet einen Moment, dann schnappt er sich die Handtasche und rennt die Treppen hoch. Plötzlich bemerkt Mark, dass etwas aus der Handtasche fällt, es ist ein Teil von einem rosa leuchtenden Fingernagel. Er steckt ihn ein und läuft mit der Handtasche im Arm nach oben.

Als Mark ins Zimmer von Jonas kommt, sagen die anderen: „Super Mark. Jetzt können wir nach Hinweisen und Fingerabdrücken suchen.“ „Halt!“, ruft Mark auf einmal. „Ich habe etwas gefunden.“ „Was?“, fragt Jonas. „Es ist als ich hochgelaufen bin aus der Tasche gefallen. Ich glaube es ist ein Fingernagel.“ Mark holt das Fundstück aus der Hosentasche. „Ihh“, sagt Johanna. „Das ist ja wirklich ein Fingernagel, aber Jonas. Den kennen wir doch!“  Jonas betrachtet den Fingernagel, dann meldet er sich zu Wort. „Das ist einer der Fingernägel von der Verkäuferin. Die hab ich gesehen, als sie mir die Fußballbildchen unter die Nase gehalten hat.“ „Wie sieht sie aus?“, erkundigt sich Elisabeth. „Sie hat eben solche Fingernägel. Von der Größe ist sie etwa 1, 66 m groß. Die Hände sind etwa so groß wie die von meiner Mama. Das merke ich immer, wenn sie mir Fußballbildchen gibt, mit oder ohne Fingernägel. Sie hat blaue Augen, eine spitze Nase, ihr Mund ist immer mit Lippenstift geschminkt und sie hat schulterlange blonde Haare. Das Alter schätze ich etwa auf 57.“

„Hat sie einen gekreuzten Leberfleck am Hals an der Seite?“, fragt Mark. „Ja“, antworten Jonas und Johanna wie aus einem Mund. „Die kennen wir. Das ist Frau Mirzelberger, die wohnt bei uns im Haus. Unten im Erdgeschoss“, sagt Elisabeth. „Jonas und ich werden heute Nacht durchs Fenster klettern und nach dem Geldschein suchen.“ „Wieso dürfen wir nicht mit?“, fragt Mark. „Hast du nicht zu viel Angst?“  „Doch, du hast recht. Ich bleib lieber zu Hause.“ „Ich auch“, sagt Johanna. „Es muss ja auch jemand telefonisch erreichbar sein. Schließlich hast nur du ein Handy, Jonas.“ „Das stimmt“, sagt Jonas. Stolz zeigt er sein Handy mit der neuen Fußballhülle. „Ich denke jetzt haben wir nichts mehr zu besprechen und außerdem ist es schon 18 Uhr.“ Elisabeth steht auf.  „Ich denke Mark und ich sollten gehen.“ „Ja, denn um 18:01 spätestens müssen wir am Tisch sitzen“, erklärt Johanna.  „Ok, tschüss.“ „Ja, tschüss.“ „Ach ja, und Jonas, denk dran. Um 24 Uhr bei uns.“

Danach rief schon die Mama von Jonas und Johanna zum Abendessen. Schnell liefen sie in die Küche. Jonas meinte, er würde gerne in seinem Zimmer essen. In Wirklichkeit steckte er das Essen in seine Brotzeitbox, um es mitzunehmen. Danach sorgten die beiden Geschwister dafür, dass Jonas seinen Schlafanzug anhatte und seine Tagsachen drunter, ohne dass es jemand bemerkt. Jonas putzt sich die Zähne und Johanna legt unter ihrem Bett, Sachen zum Bettausstopfen bereit, damit es so aussieht, als würde Jonas schlafen. Aufgeregt wartet Jonas im Bett darauf, dass ihre Mama ihnen einen Gute-Nacht-Kuss gibt. Der Papa der beiden arbeitet immer lange, er kommt erst sehr spät nach Hause. Endlich kommt ihre Mama und gibt den beiden einen Gute-Nacht-Kuss. Sie macht die Tür zu und Jonas stellt den Wecker auf zehn vor zwölf, schließlich musste er auch noch den Weg zu Elisabeth und Mark gehen. Kurz nach dem Gute-Nacht-Kuss schlafen sie ein.

Als der Wecker dann um zehn vor zwölf klingelt, schrecken die beiden Geschwister sofort hoch. Blitzschnell zieht Jonas seinen Schlafanzug aus, Johanna legt ihn aufs Bett, stopft in das Oberteil ein kleines Kissen und in die Beine stopft sie Kuscheltiere. Sie schnappt sich noch einen Puppenkopf, der ähnlich aussieht wie Jonas, und deckt ihn bis über die Nase zu. Dann holt sie das Telefon und legt es neben ihr Bett.  

Als Jonas ankommt, wartet Elisabeth schon ungeduldig, obwohl er genau pünktlich ist. Sie gehen aus dem Haus und klettern durchs Küchenfenster, das in der Nacht immer offensteht. Sie schleichen in den Flur und sehen eine Kommode mit vielen 100 Euro scheinen drauf. Einer hat einen Tomatensaucenfleck. „Das ist unser Schein“, sagt Jonas. „Die anderen Scheine gehören der bestimmt auch nicht“, meint Elisabeth. „Schnappen wir uns euren Schein und rufen die Polizei.“
Auf einmal hören sie eine Stimme: „Wen haben wir denn da? Sind das nicht der freche Junge mit den Fußballbildern und das Mädchen aus dem dritten Stock? Kommt mit, ich möchte euch etwas zu trinken anbieten.“  „Wir glauben dir nicht! Wir kommen nicht mit!“ „Na schön, dann fessele ich euch eben gleich!“, sagt die Frau. Sie holt ein Seil und fesselt Jonas und Elisabeth, jeden auf einen Stuhl. „Und jetzt werde ich mich in Ruhe zurückziehen und mich meinem Schlaf widmen. Aber davor mach ich noch das Fenster zu.“ Dann verschwindet Frau Mirzelberger im Schlafzimmer.

Jonas flüstert ängstlich: „Wie kommen wir jetzt hier raus?“ „Ich glaube ich kann mich befreien, ich habe erst letzte Woche den Kurs: Knotenöffnen für Detektive besucht. Diese Knoten sind nicht leicht, aber auch nicht schwer zu knacken.“ Nach viel leisem Rumpeln und Fluchen, schafft es Elisabeth sich zu befreien. Schnell geht sie zu Jonas und befreit ihn auch. Jonas nimmt sein Handy und ruft die 110 an. Danach wählt er die Nummern von Johanna und Mark.
Erst kommt Mark die Treppen heruntergelaufen, dann kommt die Polizei gleichzeitig mit Johanna. „Seht mal! Einer der Polizisten ist der Mann aus dem Supermarkt in Polizeiuniform und da hinten kommt Johanna“, sagt Jonas.  „Wo ist das Geld?“, fragt der Polizist. „Es liegt da auf der Kommode“, sagt Elisabeth und zeigt der Polizei die vielen Geldscheine. „Mindestens zwölf Leuten wurden 100 Euro Scheine geklaut“, sagt der Polizist. „Deswegen war ich dort, um den Dieb zu finden.“ „Warum haben sie dann etwas gekauft?“, fragt Johanna.  „Zur Tarnung“, antwortet der Mann. „Leider bin ich genau in dem Moment zu einem sehr wichtigen Einsatz gerufen worden. Es tut mir leid, dass ich eure Mutter angerempelt habe.“
„Da kommt ja auch unsere Diebin“, sagte der Polizist verschwörerisch, als die Schlafzimmertür aufgeht.  „Frau Mirzelberger, Sie werden wegen gewerbsmäßigem Diebstahl verhaftet. Sie haben zwei Wochen lang jeden Tag 100 Euro gestohlen. Jetzt haben wir den Beweis!“ „Nachdem der Supermarkt sonntags zu hat, sind es 1.200 Euro“, rechnet Mark blitzschnell aus. „Das ist eine schwere Straftat“, sagt der Polizist.
Seine Partnerin legt der Frau die Handschellen an und fesselt sie zur Sicherheit zusätzlich, denn die Diebin ist sehr klug. Dann führt sie sie ins Polizeiauto und sperrt die Tür fest zu. In dem Moment kommen auch die Eltern der Kinder und die Polizisten erklären ihnen, dass diese Kinder Helden sind. Die Eltern sind zwar sauer, aber auch stolz auf ihre Kinder. Anschließend gehen sie nach Hause und schlafen sich nochmal ordentlich aus.

Am nächsten Tag treffen sich die Kinder mit ihren Eltern, allerdings erst mittags, denn die Kinder haben bis 12 Uhr geschlafen. Sie sitzen beim Vietnamesen und essen Ente. „Das war nicht unser letzter Fall“, sagt Jonas und grinst. „Was habe ich da gehört?“, fragt die Mama von Jonas und Johanna. „Nichts“, sagen die Kinder und zwinkern sich zu.

Der hier veröffentlichte Originaltext erschien auch in der Zeitschrift ArrivalNews (online) auf der Kinder- und Jugendseite (Seite 9) der September- und Dezember-Ausgabe 2023.

Die Illustrationen stammen von Jutta Fegert.